Susanne Schubarsky

BIST DEPPERT, OIDA? - Leseprobe

»Zu Zeiten einer Wirtschaftskrise könnte man unzählige Geschichten erzählen, dramatische, elegische, veritable Tragödien, deren Protagonisten vergeblich gegen ihr vorgezeichnetes Los kämpfen. Wir wollen uns einem dieser Schicksale widmen und blicken dazu in das Beratungszimmer eines Arbeitsamtes, irgendwo in Wien. Die arbeitslose Melanie S. sitzt ihrem Betreuer gegenüber und starrt ihn fassungslos an.«

Ich sitze auf einem unbequemen Plastiksessel und starre den Typen vor mir an. Das Scherzkeks hat mir gerade gesagt, dass ich entweder sofort diesen Job annehmen oder sonst ab morgen einen Buchhaltungskurs machen muss. Oida, der Witz war gut! Aber er lacht nicht. Lächelt nicht mal dabei. Scheiße, der meint das ernst. Und wenn mich der Chef nicht in den nächsten zwei Minuten anruft und mir meinen Job zurückgibt, muss ich morgen putzen gehen. Ich! Putzen! Eigentlich urlustig, aber mir ist gerade nicht so nach lachen. Sonst hat mich der Chef immer nach spätestens zwei Wochen angewinselt, dass ich wieder zurückkommen soll. Auch wenn er grantig auf mich ist, weiß er ja, was er an mir hat. Keines der anderen Mädels kann so tanzen wie ich und schon gar nicht den Freiern einen Sekt nach dem anderen rauslocken. Aber diesmal dauert es schon zu lange. Sonst tät ich ja nicht so dumm am Arbeitsamt herumsitzen, statt den Vormittagsfreiern meine Titten hinzustrecken und etliche Hunderter zu kassieren.

Nö. Das Handy läutet nicht, und mein »Betreuer« lässt so gar nicht mit sich reden, er will nicht mal einen Blowjob. Ich muss morgen um sieben, um sieben!!!, losziehen und für ein paar reiche Säcke das Haus putzen. Irgendwie superdringend, wegen einem Unfall von der alten Putztusse. Entweder das oder Buchhaltung. Und da ist die Entscheidung nicht so urschwer. Außerdem brauch ich die Flocken.

Richie furzt mich nur unfreundlich an, als ich um drei viertel sieben aus dem Bett springe und losdüse. Kurz vor acht bin ich dann endlich draußen in Döbling und stehe vor der Adresse, die mir der Typ aufgeschrieben hat.

Bist du deppert!

Eine Villa vom Feinsten. Vielleicht hab ich ja mal zur Abwechslung ein bissl Glück. Zeit wär’s.

»Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Unerbittlich, unaufhaltsam werden sich in den nächsten Tagen viele Leben ändern durch eine Laune oder vielmehr Posse des Zufalls.«

Ein Typ in Uniform und mit einem Stock in seinem Arsch macht mir auf und ist voll angefressen. Ich weiß ja, dass ich einen Hauch zu spät dran bin, aber das war echt nicht meine Schuld. Und dass ich in der Eile nur den pinken Mini und das silberne Paillettentop gefunden habe, die nicht zu sehr nach Rauch und Alkohol und ... Sonstigem gestunken haben, war halt Pech. Schaut eigentlich super aus, aber nein, er kriegt keine Glupschaugen wie sonst die Freier, sondern ich krieg einen Vortrag darüber, wie sich eine Hausdame zu kleiden hat. Puh!

Mehr davon in:

küche, diele, mord

Hrsg. v. Almuth Heuner
KBV Verlag, September 2013
ISBN 978-3942446938
400 Seiten
Euro 14,90